24. März 2020
Jahrespressekonferenz 2020
Die Dillinger Gruppe (Aktien-Gesellschaft der Dillinger Hüttenwerke (Dillinger) mit ihren Tochtergesellschaften) und der Saarstahl-Konzern (Saarstahl AG mit Tochtergesellschaften) verzeichneten ein sehr schwieriges Geschäftsjahr 2019. Neben den sich abschwächenden konjunkturellen Rahmenbedingungen stellte das strukturelle Umfeld weiterhin für die gesamte europäische Stahlindustrie eine große Herausforderung dar: der zunehmende Protektionismus und die damit verbundenen Zölle verteuern die Produkte der europäischen Stahlerzeuger; die globalen Überkapazitäten bestehen weiterhin und der EU-Stahlmarkt leidet trotz eingeleiteter Safeguard-Maßnahmen zur Eindämmung von Handelsumlenkungen weiterhin an hohen Importen.
Der Vorsitzende des Vorstands und Finanzvorstand von Saarstahl und Dillinger, Tim Hartmann, kommentierte das Geschäftsjahr 2019 bei der ersten gemeinsamen Jahrespressekonferenz der beiden Unternehmensgruppen: „Uns haben die strukturellen und konjunkturellen Probleme auf dem Stahlmarkt empfindlich hart getroffen. Die Ergebnisse blieben hinter unseren Erwartungen zurück. Neben dem Rückgang der Mengen und Umsatzerlöse, ist dies zudem auf Schwächen in unserer Kostenstruktur zurückzuführen. Außerdem wirkten sich die deutlich höheren Rohstoffbeschaffungspreise einschließlich der Kostenbelastungen durch den CO2-Emissionszertifikatehandel negativ aus. Die Ergebnisse sind zudem durch Vorsorge für geplante Restrukturierungsmaßnahmen belastet. Mit der konsequenten Umsetzung unseres Zukunftsprogramms „offensiv, CO2-frei, effizient“, haben wir 2019 klare Ziele definiert, um nachhaltig profitabel zu sein und die Transformation zur CO2-freien Herstellung unseres Stahles erfolgreich zu gestalten.“
Und Hartmann erläutert weiter: „Die Wachstumsziele im Vertrieb sind zu 100% mit Maßnahmen unterlegt und in die dreijährige Mittelfristplanung integriert. Hier konnten auch bereits erste Erfolge erzielt werden, wie z.B. der Einstieg in den Schienenmarkt. Die bisher mit Maßnahmen unterlegten Einsparpotentiale bilden über 75% der insgesamt gesetzten Kostenziele ab und zeigen uns die Chancen auf, die wir haben. Nun müssen wir mit der Umsetzung beginnen. Die aktuelle Corona-Krise wird den Prozess in Teilen verzögern. An den Zielen halten wir fest. Wir wollen, dass die modernste Stahlindustrie hier im Saarland steht“.
Die Lage auf dem Markt für Draht und Stab sowie für Grobblech war 2019 weiterhin sehr angespannt. Konjunkturell waren die Unternehmen stark belastet durch Nachfragerückgänge und Umbrüche in den wichtigen Abnehmersegmenten wie der Automobilindustrie und dem Maschinenbau. Dies hat dazu geführt, dass Saarstahl seit September Kurzarbeit fährt. Dillinger konnte 2019 in den ersten drei Quartalen von einer sehr guten Nachfrage in einzelnen Bereichen profitieren. Der Rohrblechmarkt blieb das ganze Jahr stark unter Druck. Auch Dillinger musste somit in den Monaten Januar und Februar 2020 Kurzarbeit fahren.
Die Umsatzerlöse des Saarstahl-Konzerns gingen um 12,7 % auf 2,206 Mrd. € (Vorjahr: 2,528 Mrd. €) zurück. Das konsolidierte EBITDA (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) des Saarstahl-Konzerns betrug - 18,5 Mio. € (2018: 210,6 Mio. €) und das konsolidierte EBIT, also das Ergebnis vor Zinsen und Steuern, auf - 127,6 Mio. € (2018: 98,8 Mio. €). Die Investitionen im Saarstahl-Konzern beliefen sich auf 105,2 Mio. € (2018: 67,7 Mio. €). Die bedeutendste Investition war der Bau der neuen Stranggießanlage S1, der Ende 2019 fertiggestellt wurde. Damit setzt Saarstahl erneut den Benchmark bei Produktqualität und Kundenservice im Langprodukte-Bereich.
Die Umsatzerlöse der Dillinger Gruppe gaben um 5,2 % auf 2,087 Mrd. € (Vorjahr: 2,201 Mrd. €) nach. Das konsolidierte EBITDA (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) der Dillinger Gruppe belief sich auf 8,5 Mio. € (2018: 162,1 Mio. €) und das konsolidierte EBIT, also das Ergebnis vor Zinsen und Steuern, auf - 116,1 Mio. € (2018: 38,5 Mio. €). Die Investitionen in der Dillinger Gruppe beliefen sich auf 72,4 Mio. € (2018: 54 Mio. €). Davon geht ein Großteil in Maßnahmen zur Verbesserung des Umweltschutzes am Standort Dillingen bei ROGESA – zum Beispiel in den erstmaligen Einsatz von Wasserstoff als Reduktionsmittel im Hochofen.
Die Prognosen für das begonnene Geschäftsjahr 2020 sind mit großen Herausforderungen und Unwägbarkeiten behaftet. Die Ausbreitung des Coronavirus verstärkt die bereits große Unsicherheit spürbar. Die damit verbundenen negativen Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft und unsere Unternehmen sind derzeit schwer absehbar, zeichnen sich aber als massiv ab. Zu Beginn des Jahres 2020 bleiben zudem die herausfordernden Marktbedingungen – Überkapazitäten, Importdruck, Konjunkturflaute in unseren Kernabnehmersegmenten – weiter bestehen und erschweren derzeit für beide Unternehmen eine anhaltend gute Auslastung und eine spürbare Anhebung der Preise. Mit einem Anziehen der Nachfrage wird im zweiten Halbjahr gerechnet.
2019 wurde innerhalb des Strategieprozesses das Zukunftsprogramm „offensiv, CO2-frei, effizient“ auf den Weg gebracht, mit dem die Profitabilität gesteigert werden soll. Durch eine offensive Neuausrichtung der Geschäftsstrategie ist ein Ergebnisbeitrag von 150 Mio. € aus dem Vertriebsbereich bereits eingeplant. In Bezug auf die Einsparungen an Sachkosten ist das definierte Ziel von 150 Mio. € bereits zu über 80 % mit konkreten Maßnahmen hinterlegt. Die Personalmaßnahmen zur Erfüllung des Generationenvertrages belaufen sich auf 100 Mio. €, wovon bereits 75 % hinterlegt sind.
„Eine Alternative zu den Einsparungen von 100 Millionen € an Personalmaßnahmen gibt es nicht und wir müssen über die Tage der aktuellen Corona-Krise hinaus denken“ stellt Personalvorstand und Arbeitsdirektor Peter Schweda fest. „Dank teilweiser neuer sozialverträglicher Instrumente wird die Umsetzung des Kostenprogrammes ohne betriebsbedingte Kündigungen gelingen“. Wir rechnen mit ersten Effekten in 2020, auch wenn die uns alle betreffende Corona-Krise den Prozess spürbar verzögern wird. Wir befinden uns in einer Ausnahmesituation durch Covid19, aber alles, was wir geplant haben für den Erhalt der Stahlindustrie, bleibt richtig.“
Und Tim Hartmann ergänzt: „Der begonnene gemeinsame Strategieprozess für Dillinger und Saarstahl dient dazu, uns nach den Bedürfnissen unserer Kunden weltweit weiterzuentwickeln und konsequent neue Wachstumspotentiale zu erschließen. Wir wollen uns mit unseren Produkten in zukunftsträchtigen neuen Geschäftsfeldern positionieren und damit einen wichtigen Beitrag zu den Zukunftsthemen Energiewende und Mobilität leisten. Stahl ist der Werkstoff der Zukunft und wir wollen gemeinsam mit den Mitarbeitern, dass dieser Stahl an der Saar in der modernsten Stahlindustrie produziert wird“.
Innerhalb des Strategieprozesses ist die Umstellung auf eine CO2-freie Produktion ein zentrales Thema. Maßnahmen werden bereits umgesetzt (Koksgaseindüsung mit erstmaliger Nutzung von Wasserstoff als Reduktionsmittel). Weitere Schritte wie Brückentechnologien und konkrete technologische Handlungsoptionen werden metallurgisch und wirtschaftlich untersucht und bewertet und deren Vorbereitung geprüft. Dillinger und Saarstahl stehen dabei klar zu dem Pariser Klimaabkommen und den darin formulierten Zielen. Unsere Untersuchungen zeigen, dass die Transformation machbar ist, allerdings kostet sie Milliarden und braucht die notwendige politische und gesellschaftliche Unterstützung.
Auf dem Weg zur CO2-freie Produktion wurde politisch nun die erste Hürde genommen. Mit dem Handlungskonzept Stahl – erarbeitet zwischen Bundeswirtschaftsministerium, den Vorständen der großen Stahlunternehmen, der WVStahl und Vertretern der IG Metall – liegt nun erstmals ein Papier mit konkreten Umsetzungsmaßnahmen zur Sicherung einer langfristig starken, international wettbewerbsfähigen und klimafreundlichen Stahlindustrie am Standort Deutschland vor. „Dies ist aber nur ein Zwischenschritt, wir brauchen das Commitment der gesamten Bundesregierung. Das Gelingen der Transformation wird zur Nagelprobe für die Industrie in Deutschland. Deshalb müssen wir den Prozess fortsetzen, und weitere Schritte in Berlin und Brüssel müssen noch dieses Jahr folgen“, bekräftigt Hartmann.
Wie beschrieben wird die aktuell bereits schwierige Marktsituation durch die sich abzeichnenden wirtschaftlichen Risiken des Corona-Virus deutlich verschärft. Dillinger und Saarstahl haben – wie andere Hersteller auch - ihre Produktion gedrosselt. Einige der Produktionsbereiche und Aggregate – wie Hochofen und Kokerei - müssen aus technischen Gründen im Warmzustand und funktionsfähig gehalten werden. Sie werden derzeit bereits an der technisch möglichen Grenze betrieben. Daher ist es umso wichtiger, geordnete Betriebsabläufe zu gewährleisten.
Tim Hartmann erklärt dazu: „Für uns steht selbstverständlich der Schutz unserer Mitarbeiter an oberster Stelle. Bereits seit einigen Wochen haben wir eine Arbeitsgruppe Pandemie eingesetzt, und einen Krisenstab auf Vorstandsebene einberufen. Wir nutzen alle bekannten organisatorischen, verhaltensbezogenen und hygienischen Instrumente, um unsere Mitarbeiter zu schützen und um eine Ausbreitung zu minimieren.“ Und weiter: „Wir danken allen Mitarbeitern, die in dieser dynamischen Zeit mit ihrem Mut, ihrer Entschlossenheit, Umsicht und Fürsorge, dazu beitragen, diese Krise zu meistern! Wir fahren derzeit auf Sicht, wir reagieren dynamisch und sind zuversichtlich, dass wir diese Krise, die vermutlich noch einige Zeit andauern wird, meistern werden. Gleichzeitig werden wir die Handlungsfähigkeit erhalten, um auch für die Zeit nach der Krise Stahl an der Saar zu produzieren“.
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