17. Juni 2015
Die Dillinger Hütte will künftig mit der Materialwissenschaft und Werkstofftechnik an der Universität des Saarlandes noch intensiver zusammenarbeiten. Dafür wird das Unternehmen gemeinsame Forschungsprojekte zum Thema Stahl mit knapp einer Million Euro in den kommenden drei Jahren fördern.
Von Seiten der Universität sind drei Professoren der Materialwissenschaft und Werkstofftechnik mit ihren Arbeitsgruppen an der strategischen Partnerschaft beteiligt. Die Dillinger Hütte will über die gemeinsame Forschungsarbeit die hohe Qualität ihrer Grobbleche aus Stahl, die unter anderem im Stahlbau, Maschinenbau, in Windkraftanlagen und der Offshore-Industrie zum Einsatz kommen, weiter verbessern.
Der Vorstandsvorsitzende der Dillinger Hütte, Dr. Karlheinz Blessing, betonte, dass diese strategische Partnerschaft nicht nur Vorteile durch die räumliche Nähe habe, sondern auch wegen der hohen Qualität der geplanten, gemeinsamen Forschungsaktivitäten. „Wir haben mit Interesse beobachtet, wie sich die Materialwissenschaft und Werkstofftechnik an der Universität des Saarlandes zu einem der fünf führenden Standorte in Deutschland entwickelt hat. Für uns ist es wertvoll, dass in diesem Umfeld jetzt mit unserer Unterstützung im Themenfeld Spezialstähle und Grobbleche weiter intensiv geforscht wird. Dies stärkt unsere eigene interne Forschungsaktivität und hilft, uns auf dem hart umkämpften Weltmarkt für Grobbleche Wettbewerbsvorteile zu sichern und zu verschaffen“, sagte Blessing.
Universitätspräsident Volker Linneweber, der den Vertrag für die strategische Partnerschaft in Dillingen mit unterzeichnete, zeigte sich erfreut, dass die Universität nun mit einem der wichtigsten Großunternehmen im Saarland eng zusammenarbeite. „Diese langfristig angelegte Partnerschaft bietet den Vorteil, dass sich Nachwuchsforscher in der Materialwissenschaft nun im Rahmen ihrer Promotion intensiv mit Stahlthemen beschäftigen können. Damit wird dieses für das Saarland so wichtige Thema direkt vor Ort an der Universität angegangen“, unterstrich Linneweber.
Fundamente von Offshore-Windkraftanlagen und Erdöl-Bohrinseln sind ein Beispiel für Bauwerke, in denen weltweit die Hochleistungsstähle der Dillinger Hütte zum Einsatz kommen. Sie müssen enormen Belastungen standhalten, denn auf offener See sind sie tagtäglich gewaltigen Meeresströmungen, Windböen in Orkanstärke und aggressivem Salzwasser ausgesetzt. „Die dort verwendeten Grobbleche aus Stahl müssen auch nach jahrelanger extremer Beanspruchung einen sicheren Betrieb der Anlagen gewährleisten. Sie müssen sehr fest sein, dürfen dabei aber nicht spröde und brüchig werden“, erläutert Dr. Bernd Münnich, Vorstand Technik der Dillinger Hütte. Schon bei der Herstellung der Spezialstähle müsse an vielen kleinen Stellschrauben gedreht werden, um die gewünschten Effekte zu erzielen.
„Diesen komplizierten Prozess wollen wir von Seiten der Materialwissenschaft begleiten, um zum einen noch genauer zu verstehen, wie sich die inneren Strukturen der Grobbleche durch die einzelnen Produktionsschritte verändern. Denn nur so lassen sich mögliche Schwachstellen analysieren. Außerdem wollen wir Simulationsverfahren entwickeln, mit denen man noch besser vorhersagen kann, wie der Spezialstahl zusammengesetzt sein muss und wie man ihn behandeln sollte, um bestimmte Funktionen später zu erfüllen“, sagt Frank Mücklich, Professor für Funktionswerkstoffe der Universität des Saarlandes. Der Materialwissenschaftler, der auch das Steinbeis-Forschungszentrum für Werkstofftechnik (MECS) leitet, hat dafür zwei Professoren der Universität des Saarlandes mit ins Boot geholt: Stefan Diebels beschäftigt sich mit Fragestellungen der technischen Mechanik und Christian Motz ist für die experimentelle Methodik der Werkstoffwissenschaften zuständig. Mit Förderung der Dillinger Hütte wird jeder der drei Wissenschaftler künftig einen Doktoranden für jeweils drei Jahren beschäftigen können, um die Stahlforschung im Saarland voranzutreiben.
„Damit wir das oft komplexe Innenleben eines Materials besser verstehen können, haben wir verschiedene Methoden entwickelt. Wir können nicht nur chemisch analysieren, welche Atome wo angeordnet sind, sondern wir veranschaulichen auch die Gitterstruktur der Kristalle und zeigen, welche Nanostrukturen daraus geformt werden“, erläutert Professor Mücklich. Dabei kommt auch das Labor für Atomsonden-Tomographie zum Einsatz, das es nur an wenigen Forschungseinrichtungen in Deutschland gibt, sowie weitere aufwändige zwei- und dreidimensionale Analysetechniken. „Damit können wir ein räumliches Computermodell erzeugen, das im passenden Maßstab die inneren Strukturen von Stahl abbildet. Es macht sichtbar, wie das Gefüge von Stahl, das sich aus Bereichen mit verschiedenen Kristallstrukturen zusammensetzt, durch den Produktionsprozess komplex geformt wird. Darüber können wir dann im Team der drei Arbeitsgruppen Aussagen treffen, warum Stahl etwa durch ein bestimmtes Walzverfahren andere Eigenschaften erhält“, erklärt Mücklich.
In der Arbeitsgruppe von Christian Motz wird es darum gehen, durch mechanische Experimente mit den Werkstoffen herauszufinden, wie sich das Gefüge der Spezialstähle während der einzelnen Produktionsschritte verändert. Es soll dann untersucht werden, wie zum Beispiel Temperaturunterschiede bei der Verformung oder unterschiedliche Walztechniken die Festigkeit beeinflussen. Die Ergebnisse dieser experimentellen Untersuchungen werden den Forschern im Team von Stefan Diebels dabei helfen, theoretische physikalische Modelle zu entwickeln. Mit diesen soll man künftig einfacher vorhersagen können, wie das Gefüge eines Spezialstahls im Idealfall aussehen muss, damit zum Beispiel auch bei arktischen Bedingungen, also sehr tiefen Einsatztemperaturen, hervorragende Eigenschaften eingestellt werden können.
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